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Wie man Schlaraffe wird ...

„Schlaraffia ist die innige Gemeinschaft von Männern, die in gleichgesinntem Streben die Pflege der Kunst und des Humors unter gewissenhafter Beachtung eines gebotenen Zeremoniells bezweckt und deren Hauptgrundsatz die Hochhaltung der Freundschaft ist! …
Aufnahme finden nur Männer von unbescholtenem Rufe in reiferem Lebensalter und gesicherter Stellung, die Verständnis für die idealen Zwecke Schlaraffentums haben und gewillt sind, sie zu verwirklichen", so steht es in der Satzung.

Neue Mitglieder müssen durch einen Schlaraffen-Ritter (Pate) als "Pilger" eingeführt werden, eine Probezeit als "Prüfling" absolvieren, ehe sie nach geheimer Abstimmung („Kugelung“) zum eigentlichen Schlaraffen werden können. Man erhält dann als "Knappe" die laufende Mitgliedsnummer seines Reyches, erst nach weiterem Examen wird man "Junker". Mindestens zehn weitere "Sippungen", also wöchentliche Veranstaltungen in der "Burg" des örtlich zuständigen Reyches, muss der Junker besuchen, bis er zum Ritter geschlagen werden kann. In diesem Stand erst erhält er seinen endgültigen, meist witzigen, persiflierenden Namen, erst jetzt verfügt er über alle Rechte im ritterlichen Spiel mit geistigen Waffen.

Was sie tun...

Wer erst ein paar mal "gesippt", aus dem Buch mit einst 124, heute gekürzt auf 73 eigenen Liedern gesungen und statt Bier und Wein zu trinken, "Quell und Lethe gelabt" hat, wird bald begreifen, dass all diese überlieferten, in 24 Concilen beschlossenen Regeln, der Aufwand mit "Helmen" aus Stoff nur dem reinen Spiele dienen. Und die Titel und Orden, die da für oder auch ohne Verdienste verliehen werden, ebenfalls nur mithelfen sollen, die "Profanei" zu vergessen, zumindest im Narrenspiegel zu sehen. So ähneln denn auch viele schlaraffische Ritterhelme eher den alten Narrenkappen.

Da die Urschlaraffen fast alle Theaterangehörige waren und das Deutsche Landestheater in Prag, wie alle Theater, nur im Winter spielte, mussten sie im Sommer (wo nicht bezahlt wurde) tingeln, d.h. ihr Geld bei Sommerveranstaltungen in Kurorten, bei Konzert- und Rezitationsabenden, Gastspielen usw. verdienen. Deshalb wurde es bis heute zum unumstößlichen Brauch, nur im Winter zu sippen (Winterung): Auf der Nordhalbkugel in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. April, auf der Südhalbkugel vom 1. April bis 30. Oktober.

Die Sippungen finden immer am selben Wochentag (Uhutag) statt, den jedes Reych für sich individuell festlegt. Sie treffen sich in ihrer „Schlaraffenburg“, dem im Stil eines mittelalterlichen Rittersaales ausgestatteten Vereinslokal. Die Zusammenkünfte werden nach festgelegtem Zeremoniell in Form eines Ritterspieles mit wohldurchdachten Regeln abgehalten. Sturmhauben, Helme und Rüstungen sind aus buntem Stoff in den festgelegten „Reychsfarben“.

Dabei wird sowohl der Alltag persifliert als auch durch Vorträge in literarischer bzw. musikalischer oder künstlerisch darstellender Form - „Fechsungen“ genannt - das Interesse an der Kunst wachgehalten. Eine antiquierte Sprache mit eigenen Ausdrücken für alltägliche Dinge (Schlaraffenlatein) geben den Sippungen ihre eigene, humorvolle Note.

“Ein Konzert von Dilettanten.
Stimmt auch grad nicht jeder Ton
wie bei rechten Musikanten,
ihnen selbst gefällt es schon.“

Schlaraffischer Inbegriff von Weisheit, Humor und Tugend ist, wie schon erwähnt, der Uhu, der am Eingang zu jeder Burg thront und der huldvoll bei Betreten und Verlassen derselben mit einer tiefen Verbeugung gegrüßt wird. Und es gibt kaum einen Schlaraffen, der nicht in irgendeiner Form Uhus sammeln würde.

Alle Rahmenbedingungen des „Spieles“ sind in straffer, einleuchtender und humorvoller Form im Regelwerk „Schlaraffen-Spiegel und Ceremoniale“ festgelegt.

Der Gruß der Schlaraffen lautet „Lulu!“.

Obgleich die Schlaraffia vielerorts ein eher zurückgezogener Idealverein ist, treten einige Reyche (Vereine) mit öffentlichen Kulturveranstaltungen in ihren Heimatorten auf. So betreibt zum Beispiel die Schlaraffia Oldenburgia (Oldenburg) seit 2004 eine von der GEMA anerkannte Kleinkunstbühne und veranstaltet Sonntagsmatineen mit Konzerten, Kabarett, Lesung und Theater.

Wie sie organisiert sind…

An der Spitze des Reyches stehen bzw. sitzen in der Sippung auf dem Thron die drei Oberschlaraffen. Sie werden während der Sippung ehrfurchtsvoll mit "Eure Herrlichkeit" angeredet.

Der Kantzler, mit "Euer Vieledlen" angeredet, führt die Geschäfte des Reyches. Er hält die Verbindung zum Verwaltungszentrum Allschlaraffias, der Zentralkantzlei, zu den befreundeten Reychen, Allschlaraffenrat, den Ehrenrittern usw.

Der Reychsmarschall verfasst und führt die Reychsmatrikel (Mitgliederliste), die Ehrenmatrikel (Liste aller Auszeichnungen) und die Sippungsprotokolle. Nur er allein ist berechtigt, allerdings nur auf Befehl des Fungierenden - das ist der Oberschlaraffe, der die Sippung leitet - das Tamtam (den Gong) zu schlagen.

Der Junkermeister, angeredet mit "Euer Gestrengen", erzieht und unterweist mit unerbittlicher Strenge die Knappen und Junker und steht für deren Verhalten in der Sippung gerade, was bei der überschäumenden Jugend dieser Männer (20 - 100 Jahre) nicht immer ganz leicht ist. Sein Disziplinierungsgerät ist die Knute.

Der Reychsschatzmeister sammelt und verwaltet den Mammon (= Geld). Er dirigiert den Säckelmeister, der Pönen (= Strafen) und sonstige Abgaben bei den Schlaraffen eintreibt.

Der Ceremonienmeister ist eine Art Visitenkarte des Reyches. Die einreyttenden Sassen befreundeter Reyche (= alle Reyche des Uhuversums!) werden von ihm betreut und vor den Thron geführt. Darüber hinaus leitet und überwacht er all die höchst würdigen Zeremonien, die im Laufe der Winterung zelebriert werden müssen.

Der Zinkenmeister (= Klavierspieler bzw. Musiker) begleitet auf dem Clavicimbel (Klavier) die fröhlichen oder feyerlichen Lieder, intoniert die Fanfaren und wird oft auch solistisch tätig.

Der Hofnarr ist sehr wichtig in einem Reyche, er kann jederzeit ohne zu fragen (jeder andere muss den Thron um´s Wort bitten) das Wort ergreifen und witzig kommentieren und sogar angreifen, ohne dass er von dem Fungierenden gepönt wird. Ein guter Hofnarr kann jeder Sippung besonderen Glanz verleihen.

Die Spielleiter, die drei Oberschlaraffen, bestimmen den geistigen Kurs eines Reyches.
Am Ende jeder Winterung finden die Wahlen zu den Reychsämbtern statt - eine weise demokratische Einrichtung.

Wie sie die Jahre zählen...

Selbst eine besondere Zeitrechnung gehört zum schlaraffischen Spiel:
Während die „Profanen“ (Nicht-Schlaraffen) ihre Zeitrechnung mit christlichem Maßstab messen („n. Chr.“ oder „A. D.“), orientieren sich die Schlaraffen am Gründungsjahr ihrer Vereinigung. Zufolge Beschluß des V. Concils zu Vindobona am 2.6. des Ostermonds 1898 fällt das Jahr 1 der schlaraffischen Zeitrechnung auf die erste Winterung Allmutter Pragas, profan 10.10.1859 bis 30.04 1860. Der Jahreszahl sind die Buchstaben a. U. (anno Uhui) vorgesetzt. Demzufolge schreibt man 2012 bei Schlaraffen als Jahr a.U.153.

Wie man sie erkennt ...

Für Außenstehende sind Schlaraffen außerhalb ihrer Sippungen an der „Rolandnadel“, einer kleinen weißen Perle, die am linken Revers getragen wird, oder an einem am Fahrzeug befestigten Aufkleber, der einen blinzelnden Uhukopf zeigt, erkennbar.

Wer sie sind ...

Von der Idee erfasst sind Männer aller Berufe, nach wie vor viele vom Theater, solche, die Musik von Berufs wegen oder als Amateure kaum weniger gewissenhaft und zum Genuss ihrer Freunde betreiben. Viele andere finden mit Prosa oder Reim ein Podium, irgendwie kann sich jeder nützlich machen - und sei es mit aufmerksamen Zuhören. Man singt einzeln oder gemeinsam aus dem umfangreichen schlaraffischen Liederbuch. Jeder gibt, was er kann. Keiner muss, doch jeder darf, wenn er will. Erstaunlich, was in manchem an Geist und Witz schlummert, zu bestimmten Themen geweckt wird. Es gehört wohl zum spezifischen Wert dieses Bundes, jeden zu sich selbst zu führen. Doch es wäre kein Spiel von Rittern, würde nicht Respekt gezollt, Disziplin geübt, Schmach im spaßigen Duell gesühnt. Und wie hinter den Namen, Titeln und Orden, es steckt selbst im Spiel der sinnvolle ernste Kern. Trotzdem: Politik, Geschäft und Religion sind bei den Schlaraffen keine Themen. Sie lassen diese außen vor, um Spannungen zu vermeiden und der versprochenen Toleranz gerecht zu werden. Das Erzählen sogenannter Männerwitze ist ebenso unerwünscht. Sie pflegen auch kein soziales Hobby. Sie sind sich einfach selbst genug. Es ist auch nicht so, dass jeder Beruf nur einmal vorkommen dürfte.
Obwohl sie sich selbst mitunter Ritter der Romantik nennen, betreiben viel dieses Spiel wohl ganz bewusst: als Methode gegen Stress und Frust. Wen wundert es da noch, dass ernsthafte Statistiker nachwiesen, die Lebenserwartung von Schlaraffen sei um etwa fünf Jahre höher als die anderer Männer! Daran, dass sie ein eigenes Hilfswerk, eigene Sterbekasse besitzen, kann's doch nicht liegen ...